Auch heute klingelt der Wecker wieder früh (6.30). Die Tour mit dem Bambusfloß startet pünktlich an der Bootsanlegestelle im Naturschutzpark wurde uns gesagt und wir hatten gestern beschlossen die Strecke zu laufen. Laut der freundlichen Dame im Touristenbüro sind es von unserem Gasthaus nur 2 km. Da wir schon bei einigen Gelegenheiten zuvor erfahren haben, dass indische Längenangaben bestenfalls grob geschätzt, in der Regel aber frei erfunden sind, starten wir doch lieber früh.
Und wie wir vermutete hatten, ist die Strecke eher 4 km lang. Die meisten Leute legen eine solche Strecke nicht zu Fuß zurück. Abgesehen von 2 Joggern sind alle anderen mit dem Auto oder der Rikshaw unterwegs. Und trotz unzähliger Hinweisschilder, dass in einem Naturschutzgebiet nicht gehupt werden darf, hört man mehr Gehupe als Naturgeräusche. Es hat fast den Anschein, als wollen die Fahrer die „bösen“ Hinweisschilder weghupen.
Am See angekommen treffen wir auf Unmengen von Indern. Da es bis zum Tourstart noch eine halbe Stunde ist (wir laufen eben schnell, nicht wie du Mama, aber schnell, grins) werden wir zum bevorzugten Fotoobjekt der indischen Touristen. Der See im Park rückt schnell in den Hintergrund des Interesses. Mehr oder weniger freundlich werden wir um Fotos gebeten. Meist bestehen diese „Bitten“ aber eher aus handgreiflichem Geschubse. Wir müssen ja schließlich auch schön zentral auf den Fotos sein, die indische 2-Minuten-Adoptivfamilie adrett um uns versammelt. Nach einer Weile fällt uns das Fotolächeln schwer und wir hoffen, dass keiner von denen mit auf unsere Tour kommt.
Dann endlich ist es 8 Uhr. Nachdem wir unsere Namen in die Anwesenheitsliste eingetragen und mit unserer Unterschrift die Parkleitung von jeglicher Haftung für Sach- und Gesundheitsschäden befreit haben, geht es los. Unsere Gruppe ist zum Glück sehr klein. Sie besteht aus einem bewaffnetem Wächter, zwei Wildhütern, einem Küchenjungen und 4 Touristen. Zusätzlich zu uns ist noch ein indisches Pärchen mit von der Partie. Das Mädel ist für den Trip gut gerüstet. Sie macht sich in Sari und offenen Schuhen mit Absätzen auf den Weg. Zunächst wandern wir ca. 3 Stunden bis zu einem See auf dem die Flöße vertäut sind. Die Wanderung („Was? Drei Stunden?“ – O-Ton indisches Pärchen) geht durch verschiedene Landschaftsformen. Im Grasland finden wir Borsten von Stachelschweinen. Im Wald sehen wir Schwarzaffen und riesige Schmetterlinge. Elefantenkacke gibt es überall. Und auch die Vogellaute begleiten die gesamte Wanderung.
Am See angekommen gibt es erstmal Frühstück. Zu Toast, süßer Marmelade, Keksen und Bananen wird Chai (indische Tee) gereicht. Es ist das erste Mal, dass wir diesen probieren. Indischer Tee besteht aus Zucker, Wasser, Milch und schwarzem Tee. Die Inhaltstoffe sind in dieser Aufzählung mengenmäßig geordnet, beginnend mit der größten Menge. Ich finde es etwas gewöhnungsbedürftig. Aber im Gegensatz zu schwarzem Tee, den ich gar nicht mag, ist es nicht schlimm. Kiddy ist mit dem ersten schluck süchtig nach diesem Gebräu.
Nach dem Frühstück entern wir das Floß. Diese ist wie der Name der Tour (Bambusfloß-Fahrt) bereits andeutet, aus Bambusstämmen gebaut. Wir nehmen ganz dreist die vordersten Plätze in Beschlag. Eine gute Wahl, denn auf den Plätzen hinter uns gibt es nasse Füße. Da wir nicht paddeln müssen, wozu gibt es auch Wildhüter, ist die Fahrt sehr gemütlich. Der See wurde während der Britischen Herrschaft durch Stauung angelegt. Noch immer ragen aus ihm die Stämme der damals überfluteten Bäume. An natürlichen Markierungen in der Landschaft rings herum sieht man, bis wohin das Wasser außerhalb der Trockenzeit reicht. In der Ferne sehen wir die Bergrücken der Western Ghats, des höchsten Gebirges in diesem teil Indiens.
Nach ca. 1 ½ Stunden gehen wir legen wir in einem Seitenarm an. Während sich einer der Wildhüter zusammen mit dem Küchenjungen an die Vorbereitungen für das Mittagessen begibt, brechen wir mit dem zweiten Wildhüter und dem Wächter zu einem Kurztreck auf. Wir machen uns auf die visuelle Jagd nach großen Tieren. Und tatsächlich sehen wir Bisons. Diese ergreifen allerdings schnell die Flucht. Wir stoßen auch auf Elefantenspuren, deren Verursacher bekommen wir aber leider nicht zu Gesicht. Ich möchte die Schuld nicht unserem unentwegt brabbelndem indischen Pärchen geben, aber möglich wäre es schon.
Das Mittagessen ist sehr lecker. Es gibt Reis mit Gemüsecurry und scharfer Soße. Die anschließende Pause ist uns allerdings zu lang. Ungläubig starren wir uns aber an, als wir sehen wie der Küchenjunge Plastikabfälle in einen hohlen Baumstamm stopft. Kiddy fordert unsere Begleiter dann auch auf, den Müll mitzunehmen. Was sie sehr widerwillig tun.
Kurz nachdem wir mit dem Floß wieder abgelegt haben, beginnt es zu regnen. Gut, dass wir unseren Schirm und Gabis Jacke (vielen herzlichen dank in Kiddys Namen) dabei haben. So schaffen wir es größtenteils trocken zu bleiben.
Auf der Wanderung vom Floßlandeplatz kommen wir über eine Wiese mit riesige und schön bunten Schmetterlinge. Außerdem zeigt uns einer der Wildhüter ein in einer Baumkrone verstecktes Rieseneichhörnchen. Allerdings sieht es einfach nur nach einem Ast aus. Kiddy hegt den Verdacht, dass die Sache nur inszeniert ist. Von einer Gruppe Tribal People (Ureinwohnern) bekommen wir etwas wilden Honig in die Hand geschüttet. Hm, echt lecker. Tribals sind die Einzigen, die den Park „wirtschaftlich“ nutzen dürfen. Sie fischen und sammeln Honig und Kräuter innerhalb der Parkgrenzen.
Bald erreichen wir den Ausgangspunkt unserer Tour. Wir verabschieden uns von den Wildhütern und machen uns auf den Rückweg. Die Angebote der nervigen Rikshwafahrer lehnen wir dankend ab. Wir wollen weder zum Gasthaus zurückgefahren werden, noch einen Gewürzgarten besichtigen oder einen Elefantenritt machen. Wir wollen einfach nur nach Hause laufen.
Nach ein paar Minuten Wanderung hören wir einen Tierlaut. Ein Vogel, denken wir. Doch ein genauer Blick in die Baumwipfel zeigt, dass dort ein Rieseneichhörnchen sitzt. Und dieses ist echt. Es schwingt sich von Baum zu Baum und frisst Beeren. Nach einer Weile ist es wohl satt und verschwindet.
Wir nehmen unseren Heimweg wieder auf. Einen Rikshawfahrer verblüffen wir. Er hält neben uns an, doch bevor er uns sein Angebot unterbreiten kann, sagen wir ihm, dass wir keine Fahrt, keinen Gartenbesichtigung und keinen Elefantenritt wollen. Mit einem sehr doofen Gesichtsausdruck fährt er weiter.

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