Sehr gut ausgeruht erwache ich nach 10 Stunden Schlaf. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so lange geschlafen habe. Herrlich. Ganz anders ist das Wetter. Es ist windig, kalt und regnerisch oder kurz: ekelig. Ich witzle, dass mir dieses Wetter ja vom letzten Besuch noch sehr vertraut ist und mich jetzt erst richtig heimisch fühle, ;-). Aber eigentlich ist es auch gar nicht so schlimm, denn der Wind heult sehr heimelig im Kamin.

Stromschnellen und Politik

Nach dem späten Frühstück mache ich mit Jaakko einen Abstecher zu den Matkakoski, Stromschnellen, die etwa 20 Kilometer weiter flussaufwärts sind. Der Vorsitzende des örtlichen Fischerverbands hat Jaakko gebeten, Fotos für einen Protestbrief an die Behörden zu machen. Nach der Fotoaktion besuchen wir Tapio, den Auftraggeber. Er wohnt auf einem Gehöft in der Nähe der Stromschnellen und erweist sich als ziemlicher Kauz. Er scheint alleine auf dem Hof zu wohnen, hat auffällig wenige Zähne, einen super Humor und ist sehr gastfreundlich. Seine Geschichten zur Fischerei vor Ort sind toll und voller Spitzen gegen Jaakkos Dorf. Schön zu sehen, dass es auch in einem der abgelegensten Winkeln der finnischen Provinz Nachbarschaftszwiste á la Rheinland gibt. Menschen sind so herrlich gleich. Allerdings haben sie doch recht unterschiedliche politische Ansichten. Tapios sind sehr finnisch-national. Vor allem deuten seine teils doch recht kruden Äußerungen auf eine große Angst vor der EU hin. Damit zählt er zu einem stärker wachsenden Lager in der finnischen Gesellschaft, wie in anderen europäischen Ländern gewinnen auch nationalistische Strömungen in Finnland an Gewicht. Auch wenn ich die Aussagen sehr kritisch sehen und bei einigen am liebsten loslachen würde, denn sie sind doch zu krude und dämlich, der anthropologische Einblick ist auf jeden Fall toll.

Ruhe und Winter-Lyrik

Nachmittags genieße ich noch mal die Ruhe und die heimeligen Gemütlichkeit in versteckten Paradies. Jaakko geht mit den Kleinen schwimmen, Anne-Erika nutzt die Gelegenheit um abzuschalten und ich kann mich meinem Blog widmen. Ganz klasse mit Preiselbeermus und Vanillesoße, also den Service würde ich als mehr als erstklassig verbuchen, ;-).   Dabei fällt mir auf, dass das ganze Wochenende gar keine Musik lief. Das Paradies kommt eben ohne Soundtapete aus. Als alle wieder versammelt sind, gibt es noch mal Fisch, hm. Und dann kommt der Moment, den man immer fürchtet, wenn etwas zu toll ist, das Ende bzw. in meinem Fall der Abschied. Etwas wehmütig lasse ich mich von Jaakko zum Bus fahren. Muss ich das Paradies denn wirklich wieder verlassen? In mir reift der Entschluss, ein besserer Mensch zu werden, wenn ich dafür mein nächstes Leben als Katze im haus am Fluss in Kukkola verbringen darf. Gleich morgen werde ich mit dem “Bessersein” beginnen, ;-). Neben Schlaf tröstet mich vor allem die Sonne während der Busfahrt etwas über den Abschied hinweg. Als ich mit Jaakko losfuhr, wies mich dieser auf den aufreißenden Himmel hin. Und tatsächlich, jetzt bricht die Sonne zunehmend durch die Wolken und taucht die Landschaft in ein goldenes Licht. Herrlich, rot-glänzende Häuschen und hölzerne Lagerschuppen auf grün-wallenden Feldern malerisch angeordnet vor goldgelben und kupferroten Laubwällen, in mir regen sich lyrische Triebe, ;-).

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