Aber irgendwie beginnt der Tag erst mal eher weniger frisch. Ziemlich müde laufe ich zur Uni, um dort im Sprachenzentrum nach Finnisch-Kursen zu fragen. Als ich dort ankomme, finde ich nur einen Zettel vor. Heute ist das Büro morgens ausnahmsweise nur bis 10:00h offen und wir haben 10:05h. Mist. Naja, dann eben auf zum Internationalen Büro um dort das Formular für das Friend-Familiy-Programme (So zusagen ein Programm in dem man sich um eine Leihfamilie bewerben kann, um mit deren Hilfe dann die finnische Kultur zu erlernen. Eine gute Gelegenheit, um näher an Finnen heranzukommen.) Aber auch hier habe ich heute kein Glück. Die Mitarbeiterin, die für das Programm zuständig ist, ist krank und von den anderen weiß niemand wo die Formulare liegen. Also bin ich die 4km zur Uni irgendwie umsonst gelatscht. Leicht gefrustet mache ich mich auf dem Weg zum Arktikum am anderen Ende der Stadt. Dort werden nämlich heute die Einführungsveranstaltungen stattfinden. Auf dem Weg dahin lege ich noch Stopps in den Second-Hand-Shops ein, aber natürlich gibt es kein Fahrrad für mich, zumindest keins bei dem Zustand und Preis auch nur annähernd in einem Verhältnis zueinander stehen. Dafür bekomme ich in einem der Läden ein Tütchen Koivopuisti vom Vortag. Für 2,70 Euro sind die darin enthaltenen fünf Zimtteilchen fast ein Schnäppchen. Auf dem Weg zum Arktikum mampfe ich dann eins nach dem anderen bis die Tüte leer ist. Dies ist nämlich eine weitere finnische Gemeinheit. Essen ist nicht nur viel teurer als bei uns, die finnische Wildnis macht auch noch wahnsinnig hungrig. Neben Bemerkungen über das hohe Preisniveau, Problemen mit der finnischen Sprache und Irritationen über finnische Eigenarten ist Hunger eins der wichtigsten Themen der internationalen Studenten.

Lispeln, lustig sein und Makkara essen

Aber ich bin ja nun erstmal satt und kann mich daher wieder auf finnische Eigenheiten konzentrieren. Eine fällt mir schon in der zweistündigen Einführungsveranstaltung auf. Von vier weiblichen Präsentatoren lispeln drei sehr süß, wenn sie Englisch sprechen. Ich weiß nicht, ob diese 75 Prozent repräsentativ sind, aber dieses leichte Lispeln ist mir schon öfter aufgefallen. Seltsamerweise meist nur, wenn Englisch gesprochen wird. Vielleicht hatte der erste Englischlehrer einen sehr dominanten Sprachfehler? Ein paar Stunden später treffe ich mich mit Maureen und Nilou um eine weitere Eigenheit der Finnen zu beobachten, studentische Besäufnisse im Kostüm. Denn ähnlich wie in deutschen Unistädten darf natürlich eine Bespaßung für die finnischen Erstsemester nicht fehlen. Irgendwie erinnert das Treiben an den heimischen, rheinischen Karneval. Verrückte Menschen, die tagsüber auf der Straße Bier trinken und Lieder gröhlen, das kommt der 5. Jahreszeit schon sehr nahe. Auch das Wettert tut sein übriges, es ist trüb und kühl, eben Kamelle-Wetter. Allerdings ist der Auflauf nicht so groß wie in den Karnevalshochburgen. Geschätzt sind es etwa 60 Frischlinge, die sich zum Affen (oder wahlweise auch Punk, Würfel, Rentier, etc.) machen. Wir schauen dem Treiben ein wenig zu. Da wir aber keine anderen internationalen Studenten sehen und auch unsere Tutoren nicht erblicken, trauen wir uns nicht näher an die wilde Meute heran. Dann doch lieber an Stand mit den kostenlosen Würstchen. Auch hier stehen verkleidete Leute, aber diese sind weniger furchteinflößend, ;-). Vielmehr drücken sie uns Makkara (Würstchen) und Kaffee in die Hände. Erstere sind mit Senf ganz lecker und stopfen gut, zweiterer schmeckt scheußlich. Ich beschließe, im Gegensatz zu Eritrea in Finnland keine Rücksicht auf eine ausgeprägte Kaffeekultur zu nehmen und mich in Zukunft diesem schwarzen Gebräu ganz kultur-unsensibel zu verweigern. Aber noch mal zurück zu den Essensspenderinnen. Sie erzählen uns, dass sie heute ein kleines Theaterstück über Jeanne D’Arc aufgeführt haben, um auf ihren multi-konfessionellen Treffpunkt hinzuweisen. Ich wusste doch, irgendetwas ist an Gratis-Würstchen faul. Aber wie uns ganz stolz von ihrer Rolle und dem Text erzählen (sie sagen tatsächlich “Mörschi, mörschi – Frere”) sind sie ganz putzig. Auch die Fußballbegeisterung vor allem für Schalke ist sehr sympathisch. Ich zweifele aber trotzdem, ob ich mich bei dieser Religions-Gang mal blicken lassen. Wobei die Würstchen sind gut und nach dem 3. bin ich ganz gut satt.

Du kommst hier nicht rein

Während wir noch von netten Damen in Nonnenkostümen belagert werden, gesellt sich ein älterer Herr dazu. Er scheint schon ein wenig angeheitert zu sein und in Deutschland würde ich ihn der Gruppe der Obdachlosen zuordnen. Kurz darauf verabschieden sich die Betschwestern, der Herr bleibt. Er scheint einen Narren an uns gefressen zu haben, vor allem meine beiden Begleiterinnen haben es ihm angetan. Er lächelt sie beständig an und versucht ein Gespräch in Gang zu setzten. Etwas schwierig, da er nur Finnisch spricht. So beschränken wir uns alle auf viel Lächeln und das ein oder andere “Joo = Ja”. Das kann man so gut wie an jeder Stelle in ein Gespräch einstreuen, auch wenn man gar nicht richtig zuhört, ;-). Irgendwann kratze ich dann alle Finnisch-Kenntnisse zusammen und frage nach seinem Name. Erfreut stellt er sich als Matti vor. Brav sagen auch wir der reihe nach unsere namen auf, dann werfe ich ihm noch ein beherztes “HeiHei. Hauska tavataa. = Tschüss. Nett Dich kennen zu lernen.” an den Kopf und wir begeben uns zu Nilous Wohnung. Hier überbrücken wir die Zeit bis zum Beginn der Fuksiaiset. Was bei mir auf unerklärliche Weise, die Assoziation einer Fuchsjagd hervorruft, ist in Wirklichkeit die Party für die Unineulinge. Dabei erleben wir, dass vor den Diskos sehr strikte Ausweispflicht herrscht. jeder in der Schlange muss seinen Ausweis zeigen, auch ich. Was für mich sehr schmeichelhaft ist, ist für Maureen ärgerlich. Denn sie hat ihren Ausweis nicht dabei und düst gefrustet nach Hause. Also stelle ich mich nur mit Nilous Hilfe der Aufgabe, den elektronischen Klängen zu trotzen. Was überraschend gut gelingt, erst als der DJ seine Lieblingslieder zum dritten Mal spielt beschließen wir zu gehen. Denn ab jetzt werden sich die Wiederholungsschleifen eh nur noch verkürzen.

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