Der Wecker klingt früh und überraschend wach mache ich mich auf den 40-minütigen Weg zur Uni. Der erste Stop lässt aber nicht lange auf sich warten. Im nächsten Supermarkt bewundere ich die großen Preise und besorge mir ein kleines Frühstück. Der Weg vom Hostel zur Uni beträgt etwa 3,5 km, gut die Hälfte davon ist von Wasserflächen eingefasst. Punkt 9:00 bin ich an der Uni und meine Angst, den Raum nicht zu finden, ist völlig unbegründet. So viele Englisch-Sprecher müssen hier fremd sein und tatsächlich, der Hörsaal voll fremder Menschen ist für die “Internationalen” reserviert. Mir kommen erste Zweifel, ob ich hier wohl Finnen treffen werde? Neben teils lustigen englischen Dialekten beherrschen vor allem spanische und DEUTSCHE Töne den Saal. Ich beschließe, mich davon erstmal fernzuhalten.

LYYRA und DAS

Die Präsentation der Studentenunion (Lyyra) zum Thema Studentenkarte ist eher kurz: alles freiwillig für internationale Studenten, aber sinnvoll, da Rabatte bei Mensaessen (gut 2/3) und Bahnfahrten (1/2) sowie kostenloser Gesundheitsservice. Um dieses Wunderwerk zu bekommen, braucht man zunächst seine Studentennummer. Also stelle ich mich an, um mein Studien-Zertifikat zu bekommen. Scheinbar haben das viele letzte Woche noch nicht gemacht, die Reihe ist jedenfalls lang. Als ich mein Zertifikat dann habe, ist Jani, mein Tutor, der auch etwas präsentierte und mit dem ich eigentlich verabredet war, weg. Weg sind auch die Formulare für die Studentenkarte. Na ich bin nicht der einzige, der keins bekommt und so wandern wir in einer großen Herde zum Büro der Studenten-Union. Dort bekommen wir zunächst das entsprechende Formular und außerdem für schlappe 58 Euro (42 Euro Semesterbeitrag plus 16 Euro für die Karte) einen Kalender, eine Stofftasche und eine Quittung. Diese gilt als vorläufige Studentenkarte bis die Plastikkarte (die wir noch online bestellen müssen) eintrifft. Im Büro treffe ich Sophia, eine der Tutorinnen, sie zeigt mir den Weg zum Büro von Dormus Arctica Foundation (DAS). Dort bekomme ich den Schlüssel zur Wohnung. Yeah – endlich.

Klischees, Klischees, Klischees

Da das Wohnheim etwa 4 km von der Uni entfernt ist und gerade kein Bus fährt, beschließe ich auch den Rest des heutigen Tages als Backpacker zu verbringen. Außerdem geht es bald mit Einführungsveranstaltungen weiter. Aber zuvor bleibt noch ein wenig Zeit, um mir einen Studenten-Webaccount zu zulegen. Dann folgt eine Veranstaltung des Sprachenzentrums. Vorgestellt werden die Sprachkurse, die belegt werden können. Ein Schwerpunkt liegt auf den Finnisch-Kursen, Sprachtandems und so genannten Sprach-Cafès. Hier steht vor allem das deutsche Sprach-Café im Vordergrund, der deutsche Sprachlehrer macht kräftig Werbung, klingt sehr spannend. Weniger spannend bis todlangweilig ist die folgende Sitzung zum richtigen akademischen Arbeiten, damit habe ich es ja eh nicht so ;-) – und das meiste kenne ich dann doch schon. Spannender und richtig lustig ist die nächste Sitzung. Es geht um Finnen und ihre Eigenheiten bzw. die Vorurteile, die Nichtfinnen hegen. Gehalten wird die Veranstaltung von einem sehr witzigen Amerikaner. Er versucht nach und nach die meisten Vorurteile zu widerlegen oder abzuschwächen. Zunächst dürfen wir aber erst mal in Gruppenarbeit unsere Vorurteile sammeln. Diese liest er dann vor und versucht sie mit Hilfe der sieben anwesenden Finnen zu widerlegen. Dazu lässt er die überwiegend kleinen und dunkelhaarigen Mädels jedes Mal aufstehen, wenn die Beschreibungen “blond”, “groß” und “blauäugig” fallen. Und so werden nach und nach die meisten Vorurteile negiert bzw. im Fall von Alkohol und Sauna in einen neuen Kontext gebracht. Ja Finnen saunieren gerne, aber sie machen es auch richtig ;-). Ja Finnen lieben Karaoke, aber nur betrunken. Und ja Finnen trinken viel, das machen sie aber so gezielt, dass sie trotz dem Anspruch sich auf dem schnellsten (und noch viel schwieriger) billigsten Weg ins Koma saufen wollen, einen der letzen Plätze im europäischen Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol belegen. Richtig ist auch, dass Finnen wenig bis gar nicht sprechen und scheinbar sehr unfreundlich sind. Dies liegt aber einfach daran, dass Finnen nur reden, wenn es etwas zu sagen gibt. Also Small-Talk über das Wetter ist da eher sinnlos, schließlich sind beide Gesprächspartner klug genug, um zu wissen, wie das aktuelle Wetter ist. Da schweigt man dann doch besser höflich. Wie gesagt, diese Sitzung ist genial. Ich lache mir die Seele aus dem Leib, wenn ich eine solche als Ex-Christ noch besitze, bin aber auch etwas enttäusch. Denn Finnen im allgemeinen eher nicht blond und blauäugig sind, gilt das wohl auch für die weiblichen Exemplare, :-(. Naja, mich rettet, der Gedanken, dass die Finninen, die ich bisher kennen gelernt habe, zu gut 95% zumindest blond waren, ;-).

Nenn mich Sonntag

Außerdem darf ich noch über den Gehalt weitere Klischees nachsinnen. Denn der erste internationale Student zu dem ich Kontakt habe, ist James. Während ich ihn zunächst für einen deutschen gehalten habe, stellt sich heraus, dass er Ami ist, der aufgrund eines Austausches in Österreich aber ein wenig Deutsch spricht, also gar nicht so falsch, ;-). Als nächstes lerne ich einen Nigerianer kennen. Er stellt sich mit den Worten: “Nenn mich Sunday (Sonntag)!” vor. Er ist sehr erfreut, dass ich aus Deutschland bin, denn er möchte auf einer deutschen Webseite ein Auto kaufen und fragt meine Hilfe für die nächsten Tage an. Bevor wir uns verabschieden, sagt er mir noch, dass er mir ein Fahrrad besorgen könnte.

Ein Chinese Namens Rice

Dann ist auch für mich die Uni zu Ende und ich beschließe, doch zu Fuß nach Hause zu wandern, denn ich will ein wenig von der Umgebung sehen. Eine fast gute Idee, die “Wanderung” ist zwar sehr interessant, verkommt aber irgendwann fast zu einem Gewaltmarsch. Aber schließlich erreiche ich dann doch mein Ziel (Für alle Briefeschreiber: Christian Schmetz, Kuntotie 3A 371C, 96400 Rovaniemi). Nach einer kleinen Sucherei entdecke ich dann auch das richtige Haus mit dem richtigen Apartment. Hier erwarten mich weitere Klischees in Form von Carlos, einem Spanier, und zwei Chinesen: Byron und Rice. Zweiterer wohnt vorübergehend bei uns, da er noch keine Wohnung gefunden hat und fragt fast verschüchtert, ob er stört. Ganz im Gegenteil, ich muss eher aufpassen, dass ich keinen Lachanfall bekomme und warum mir gerade der sprichwörtliche Sack Reis im Kopf rumgeistert, wissen auch nur die Götter. Vom ersten Eindruck her denke ich dass ich ziemlich Glück mit meinen Mitbewohnern habe. Alle scheinen ganz nett zu sein und es wird bestimmt interessant. Wäre es ne Mädels-WG gäbe es bestimmt umfangreiche Festmähler, so werde ich dann wenigstens neue Nudelrezepte lernen, ;-). Auch mein Zimmer ist ganz ok. Der 12 qm Raum mit Schreibtisch, Bett und Schrank wirkt etwas kahl, aber das Internet funktioniert.

Der große Schock

Nach einer kurzen Einrichtungsphase mache ich mich auf den Weg zum nächsten Supermarkt. Für stolze 13, 65 Euro erste ich 700gr Käse, 3 Äpfel, 0,5l Cola, 1 Snickers, 1 Papiertüte, 1l Saft, 1 Margarine, 1,5l Milch und ein wenig Brot. Trotz der Vorkenntnisse aus dem letzten Jahr, trifft mich fast der Schlag. Dafür sind die Preise auf der abendlichen Studentenparty fast überraschend günstig. Der Eintritt kostet zwar 5 Euro, aber 0,4l Bier gibt es schon für 3 Euro. Die Partymeute besteht fast nur aus internationalen Studenten. Die Musik ist sehr elektrolastig, bis eine Rock ‘n’ Roll Band auftritt. Tolle Mischung, ;-). Aber irgendwann schlägt die Müdigkeit dann voll zu und ich beschließe mich auf den Heimweg zu machen. An der alten Brücke über den Kemi-Fluß komme ich das erste Mal in den letzten Tagen zur Ruhe. Die beleuchtete Stadt, die Promenade und die modernere Brücke sehen sehr schön aus. Dazu das Rauschen des Wassers und der Wind, herrlich.

Ausgeschlossen

Als ich dann nach Hause komme, stehe ich vor einer verschlossenen Tür. Ich probiere es mehrfach, doch ich kann die Haustür nicht öffnen. Ich schleiche ums Haus, traue mich aber nicht, an einer Wohnung zu klopfen. Auf die Idee, durch den Keller des Nachbarhauses in unser Haus zu gelangen, komme ich zum Glück nicht. Denn kurz darauf kommt Elisa vorbei. Sie bietet mir an, die “heiße Nummer” des Sicherheitsunternehmens anzurufen und mich, falls dort niemand erreichbar sein sollte, über Nacht zu beherbergen. Naja, wir erreichen den Sicherheitsdienst dann doch, ;-(. Hm, wäre aber auch zu einfach gewesen, meine Mission gleich am ersten Tag zu erfüllen. Denn Elisa ist Finnin und natürlich blond. Darüber hinaus redet sie ganz gerne, wir unterhalten uns sehr gut, bis dann doch irgendwann jemand aus unserem Haus herauskommt und ich ganz ohne Sicherheitsdienst reinkomme. Ich sage Elisa gute Nacht und ziehe dann etwas geflasht von den ganzen Eindrücke die

Tagesbilanz

Ich bin an der Uni angekommen, habe meine Studentennummer bekommen, habe eine Studentenkarte beantragt, einen Webaccount erhalten, habe meine Wohnung in Besitz genommen und die erste Studi-Party hinter mich gebracht. Die nächsten Schritte sind: ein Fahrrad kaufen (damit es weniger Schritte werden), eine lokale Sim-Karte besorgen, einen funktionierenden Schlüssel für die Haustür auftreiben und eine hübsche, blonde Finnin heiraten, ;-).

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