i95.5
Eine knappe Woche später war ich bei i95.5, einer weiteren Radio-Station, um die dortige Arbeitsweise zu erleben. Ich merkte gleich hier ist alles etwas strikter. Die Arbeitsweise erinnerte schon sehr an Deutschland. Alles wurde ernst genommen, die Arbeit kam an erster Stelle und Spass gab es nicht so viel. Dafür waren alle sorgfältig auf die Nachrichten konzentiert und ich wurde mehr gefordert.
Nach einer ersten kurzen Tour durch den Sender ging es am ersten Tag gleich zu einer Pressekonferenz. Von Dale, dem Newschef, hatte ich die Aufgabe bekommen, mir eigenen Notizen zu machen und meine eigene Story zu schreiben. Diese las er dann gegen, korrigierte sie und erläuterte mir meine Fehler.
Am nächsten Tag wurde ich morgens damit überrumpelt, dass ich die Stellungnahme einer Unternehmenssprecherin einholen sollte. Ehe ich mich versah fand ich mich am Telefon wieder. Zum Glück gab es genaue Anweisungen von Onika, einer Kollegin. Sie regelte auch die Technik für mich. Von Dale bekam ich weitere Tipps für das Schreiben von Radionachrichten.
Danach durfte ich eine Reporterin zu einer Pressekonferenz nach White Hall, dem Sitz des Premierministers, begleiten. Dort stellte sich die Krisenmanagement-Zentrale den kritischen Fragen der Journalisten. Dabei liess sich feststellen, dass Politik in der Karibik genauso funktioniert wie in Deutschland.
Es war aber sehr spannend, so eine Situation mit allem Drumherum hautnah zu erleben. Nach dem Sicherheitscheck und der Akkreditierung wurden wir in den Tagungssaal geführt.
Nachmittags habe ich dann auf der Suche nach einer Story eine Parlamentsdebatte im Fernsehen überwacht. Zunächst war es noch neu und interessant. Aber dann war es ein Kampf nicht einzuschlafen und vom Stuhl zu fallen. Aber ich habe doch ein paar gute Ansätze zusammen bekommen.
Am nächsten Tag durfte ich mich dann wieder um die Parlamentsdebatte kümmern. Kollegen hatte einige Passagen am Abend zuvor mitgeschnitten. Meine Aufgabe war wieder, interessante Zitate zu finden und eine Story zu schreiben. Dabei habe ich dann auch mal den täglichen Stress hautnah erlebt. Die Uhr tickte erbarmungslos und die Deadline kam immer näher. Alle waren hektisch damit beschäftigt Clips zu bearbeiten, Storys zu schreiben und andere Storys gegen zu lesen. Im Abständen von 10 Minuten wurden wir durch einen Ruf an die verbleibende Restzeit erinnert. Da die Rechner knapp waren und ich ein wenig Hilfe brauchte, hatte ich Angst nicht fertig zu werden. Doch natürlich klappte am Ende doch alles right in time. Und nicht nur das, ich bekam eine Menge Anerkennungen von den Kollegen. Anschliessend war es super, sich, im mittlerweile wieder total ruhigen Newsroom, die eigen Story on air anzuhoeren.
Der Nachmittag wurde ganz gemütlich. Da nicht viel zu tun war, konnte ich Small-Talk mit den Kollegen halten. Ein großes Thema war natürlich die WM, aber wir haben auch die Unterschiede zwischen Deutschland und Trinidad und Tobago diskutiert.
Da Dale nebenbei auch Präsident einer karibischen Journalistenvereinigung ist, nutzte ich die Chance zu einem Interview. So konnte ich mir einen sehr guten Ueberblick über die karibische Medienlandschaft verschaffen.
Es gab zwar viel weniger Spass als bei Power 102, aber durch ständige Tipps zu meinem Schreibstil und die direkte Einbindung in den Arbeitsablauf, habe ich eine Menge gelernt.

Power 102
Drei Tage habe ich im News-Department von Power 102, einer der größten Radio Stationen auf Trinidad und Tobago verbracht.
Ich hatte schon damit gerechnet Pressemeldungen um zu schreiben und so war ich nicht wirklich überfordert als ich einige Pressemeldungen umschreiben sollte, um meine Schreibfähigkeiten zu demonstrieren. Aber die Herausforderung sollte auch kommen. Doch der Reihe nach.
Nachdem ich mich an meinem ersten Tag eine Weile mit der Einladung zu einem Käse- und Weinfest herum geplagt hatte, kam Jarrod, einer der News-Editoren, zu mir. Er gab mir eine wirklich wichtige Pressemeldung. Also legte ich mich ins Zeug. Nach einer kleinen Überarbeitung durch Jarrod ging der Bericht im nächsten Nachrichtenblock auf Sendung. Ein tolles Gefühl.
Aufregender wurde der nächste Tag. Ich bekam ein Mikro in die Hand gedrückt und sollte auf der Strasse ein paar Stimmen von Leuten zu einem bestimmten Thema einfangen. Da stand ich nun mit meiner Frage, dem Mikro und ohne Ahnung, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Aber abgesehen von der Tatsache, dass mich die meisten weiblichen Wesen ignorierten, lief es sehr gut. Die Meinungen die ich einfing waren sehr drastisch. Und die männlichen Kollegen versicherten mir, dass auch sie von den “Ladies” regelmäßig ignoriert werden. So war am Ende alles gut.
Abends ging es zur Präsentation eines Mobilfunkanbieters. Dieser stellte den geladenen Pressevertretern seine Sonderaktionen zur Weihnachtszeit vor. Der Veranstaltungsort war besonders festlich herausgeputzt. Inklusive Plastik-Weihnachtsschmuck und Luftblasenautomat. Aber es gab exquisites Essen, Drinks in großer Vielfalt und neue Kontakte zu Medienleuten. Für große Belustigung bei den Anwesenden muss unsere Ankunft gesorgt haben. Jeder Besucher wurde von einer Moderatorin empfangen. Dieses “Interview” wurde nach innen zur wartenden Menge übertragen. Konfrontiert mit der Frage von welchem Designer meine Klamotten sind, war ich etwas baff. Zum Glück rettete Clifford, einer der Talker vom Sender und Ex-Comidian, die Situation. In nahezu perfektem Deutsch sagte er, dass wir in edlen Fummel von “Sauerkraut” und “Volkswagen” gekleidet waren. Da guckte dann die Moderatorin etwas dumm aus ihrer Wäsche.
Als Abschiedsgeschenk erhielt dann jeder Journalist, natärlich auch ich, einen DVD-Player als „Freundschaftsgeschenk“. Super Sache, leider ist meiner kaputt und somit hege ich auch nicht besonders viel Freundschaft für die Firma, lach.
Am nächsten Tag hatte ich meinen ersten “richtigen” Außeneinsatz. Zusammen mit Akile, einem Reporter, sollte ich herausfinden, warum die Arbeiter des nationalen Energieversorgers streikten. Dabei bekam ich sehr detailliert anschaulich erklärt, wie solche Situationen gehandhabt werden.
Ich hatte eine Menge Spaß bei Power 102. Die Leute waren alle sehr locker und meistens auch crazy. Jarrod zum Beispiel labbert den ganzen Tag vor sich hin. Er kommentiert alles, egal ob er den Rechner einschaltet oder die Maus bewegt. Mein erster Eindruck war, dass er die Manifestation einer Comic-Stimme ist. Er hat einen Frettchenkopf und ist pummelig. Dazu kommen seine übertrieben amerikanische Aussprache und eine quiekende Lache. Wenn er dann noch durch den Raum tanzte, lag ich vor Lachen fast am Boden.
Aber natürlich habe ich auch einiges über die Nachrichtenarbeit bei einem Radiosender gelernt und mein Englisch verbessern können.

 

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