Heute herrscht schönstes Herbstwetter. Gut gelaunt düse ich zum Bahnhof. Dort erzählt mir ein Schild am Ticketautomaten, dass ich die Fahrkarte heute im Zug kaufen muss. Sehr gut, denn so spare ich nicht nur den halben Preise (dem Studentenausweis sei dank), sondern auch noch 2 Cent, denn der Schaffner rundet den Preis ab, ;-). Die Fahrt verläuft sehr entspannt. Mit finnischer Pünktlichkeit erreichen wir Kemi. Im bequemen Abteil schaffe ich es sogar die Hausarbeit für Montag zu erledigen, woohoo, jetzt ist tatsächlich Wochenende. Im Bus nach Tornio hole ich dann noch etwas Schlaf nach.

Da Mimi, Jaakkos Tochter, ihren Teddy im Supermarkt auf der anderen Seite der Grenze verloren hat, machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Haparanda. So komme ich nach Schweden. Damit beginnt meine Aufenthaltszeit (als EU-Bürger muss man sich polizeilich melden, wenn man über drei Monate bleibt) ab heute wieder neu. Super so spare ich 47 Euro (denn soviel kostet eine Registrierung), denn jetzt darf ich bis zum Jahresende bleiben, ;-). Auf dem Weg zu Jaakkos Haus sehen wir, dass der Fluss derzeit sehr voll ist. Jaakko erzählt mir, dass der hohe Wasserstand in diesem Jahr sehr schnell und überraschend kam und einige der hölzernen Fischerplattformen weggespült hat.  Weg ist auch Mimis Vertrauen in mich. Während wir im letzten Jahr zusammen Stehen geübt haben, spielen wir jetzt das Spiel „Ich verstecke mich hinter meinen Händen und wenn ich Dich nicht sehe, siehst Du mich auch nicht“, ;-).

Rauschen am Fluss

Den Nachmittag beginnen wir mit der Besichtigung der Sauna. Wobei Sauna ja eine Untertreibung ist: eine große Terrasse mit offenem Kamin, beheizbarem Wasserbecken und Blick auf den Fluss, dazu ein Umkleideraum, ein großes Duschzimmer mit zwei Duschen und eine große Holzsauna mit Flussblick, das klingt eher nach Wellness-Tempel. Und den heizen wir jetzt auch ein. Den restlichen Nachmittag verbringen wir damit, Jaakkos Boot vom Fluss ins Winterquartier in die Garage zu schaffen. Dann genießen wir auf der Terrasse Sonne, Aussicht und Bier – herrlich, anders kann es im Paradies auch nicht sein, ;-). Zunächst irritiert mich nur das ständig brausende Geräusch im Hintergrund etwas, dann realisiere ich, dass es von den zwei Kilometer entfernten Stromschnellen stammt. Hm, zuhause kenne ich so ein Brausen nur von der Autobahn, ;-).

Essen und finnische Abendgestaltung

Im Anschluss räuchert Jaakko Siika (Weißfisch) und grillt Neunaugen. Die urzeitlich anmutenden Wesen werden auf den Grill gelegt und sehr knusprig geröstet. Das Ergebnis ist schwarz und überraschend lecker. Man kann sogar die gesamten Tierchen essen, auch wenn die Köpfe etwas seltsam schmecken. Zugegeben es ist schon eine kleine Überwindung, die Neunaugen zu futtern, nachdem sie zu vor über der Glut aufgepoppt sind und Blut aus ihnen hervorgeströmt ist, aber ich bin ja Ethnologe, ;-). Und im Anschluss gibt es dann die geräucherten Leckereien, hm ich liebe Siika. Damit aber noch nicht genug. Jaakko will mir zeigen, was es heißt, wenn ein Finne vom Saunagang spricht. So verbringen wir die nächsten 3 Stunden im Wellness-Tempel. Das heißt, wir schwitzen erst in der Holzsauna, dann entspannen wir im Warmwasserbecken bei Bier und Männergesprächen, dann schwitzen wir wieder, dann entspannen wir wieder. Nach drei solcher Einheiten bin ich total entspannt. Zumindest innerlich, denn äußerlich ist meine Haut so verschrumpelt, dass sie schmerzhaft spannt. Ich kann kaum noch eine Bierdose halten und das Duschen kommt einer Behandlung mit Schleifpapier gleich, ;-). Aber ich sinke mehr als zufrieden und todmüde ins Bett.

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