Nach dem Frühstück geht es zur Enguri-Brücke. Diese bildet einen der offiziellen Übergänge von Georgien nach Abchasien. Während die Georgien die Grenze nur als Trennlinie zweier georgische Distrikte anerkennen, bildet sie für Abchasen und Russen eine Staatsgrenze. Im Vorfeld hatte ich mir diesen Ort sehr eindrucksvoll vorgestellt. Jetzt und hier ist es schon fast ernüchternd: Eine Brücke, die ein Flüsschen überspannt, an dessen Ufer Kühe weiden und Mais angebaut wird. Rein zufällig verläuft hier auch irgendwo die Grenze. Das Ganze erinnert stark an Asterix und Obelix: „Dort ist das unsichtbare Seil, das ihr nicht sehen könnt.“ Sehr greifbar und fast sichtbar ist hingegen die Hitze. Auf der Brücke gibt es keinen Schatten, daher brennt die Sonne sehr effektiv.  Dies merkt auch mein Frosch der auf der Brücke posiert und sehnsüchtig Abchasien blickt. Noch mal zu Auffälligkeiten. Die Grenze begrenzt scheinbar auch Umweltverschmutzung. Jedenfalls liegt unter der Brücke auffallend wenig Dreck.  Und noch etwas. würde ich es nicht besser wissen, würde ich sagen, dass sich die Kühe auch von der politischen Lage beeinflussen lassen. Während sie auf einer Seite des Flusses nach rechts grasen, tun ihr Pendants auf der anderen Seite dies nach links.
Wenn es wirkt als würde ich die Grenzproblematik auf die leichte Schulter nehmen oder mich gar darüber lustig machen, möchte ich dem entgegenwirken. Vielmehr entspringt diese übertrieben witzelnde Haltung meiner Unsicherheit mit der Situation. Denn anders als meine georgischen Begleiter empfinde ich die Situation als nicht besonders oder gar gefährlich. Die Brücke ist für mich vor allem eins: eine Brücke. Und so bin ich etwas murrig, als klar ist, dass mich meine georgischen Begleiter nicht bis ans andere Ende gehen lassen werden. Die Frage, die sich stellt, ist: Verhalte ich mich gerade wie ein unbedarftes Kind, dem die Mutter erklärt, warum man eine Autobahn nicht wie eine Straße überqueren kann und das es im Leben Grenzen gibt, die man nicht überschreitet oder sind meine georgischen Begleiter zu verschüchtert und ängstlich? Klar ist im Grunde eins: Wir alle würden gerne mal nach Abchasien reisen.
Um diesem Abschnitt auch noch etwas Gehalt zu geben, füge ich eine kurze Beschreibung der Grenzsituation an. Der Mini-Bus stoppt an einem Schlagbaum. Dort gibt es ein großen Plakat vom georgischen Präsidenten und ein kleines Häuschen in dem drei Polizisten sitzen, die uns sehr freundlich die „Spielregeln“ erkläre: Wir dürfen auf die Brücke und auch fotografieren, aber nichts Militärisches. Nach dieser Einweisung folgen wir in der sengenden Hitze der Straße, die einen Knick macht. Nach ca. 500 Metern werden wir von zwei Soldaten an einer Sperre aus Betonklötzen aufgehalten und noch mal auf die Spielregeln hingewiesen. Dann betreten wir die Brücke. Diese ist Breit wie eine 2-spurige Straße mit Fußgängerwegen und überraschend lang (geschätzt 500 Meter). Unter ihr windet sich ein kleiner Fluss an dem friedlich Kühe grasen. In der ferne sehen wir das Panorama Abchasiens. Auf der Brücke befördern Mini-Bus und vor allem Pferdewagen Personen und Güter von der georgischen Seite nach Abchasien und umgekehrt. Wobei der Güterverkehr vorwiegend in eine Richtung läuft. Zusätzlich überqueren noch zahlreiche Passanten die Brücke. Die Brücke wurde übrigens von deutschen Kriegsgefangenen gebaut, daher wird ihr besondere Stabilität zugesagt. Stabilität, die man einer wie auch immer gearteten friedlichen Konfliktlösung wünschen kann.

Froschkönig & Aschenputtel
Als Teil unserer Recherche befragen wir die Marktfrauen, die Schuhe verkaufen nach ihren Erfahrungen. Während Alex die Befragung gleich mit einem Einkauf verbindet, nutze ich die Gelegenheit, um Froschbilder zu machen. Zunächst versteckt sich der Frosch noch recht schüchtern zwischen den ausgestellten Schuhen. Doch bald wird er mutiger und posiert auf der Suche nach seiner Prinzessin vor allem auf Damenschuhen. Damit ruft er die Verkäuferinnen auf den Plan, die begeistert immer weitere Stöckelschuhe anschleppen, in irgendeinem muss Aschenputtel doch stecken. Das Aufsehen, das wir erregen ist witzig. Viele kommentieren irritiert und vor allem belustigt: „Baqaqi, Baqaqi – Frosch, Frosch“. Eine Dame biete uns sogar Kaffee an.

Flüchtlinge
Am Nachmittag suchen wir Flüchtlinge. Das tun viele – vielleicht nicht nur auf den Nachmittag beschränkt – aber wir kommen mit wissenschaftlichem Interesse. Dank der Taxifahrer sind wir auch recht erfolgreich, :-D.  Bald lauschen wir den Geschichten der aus Abchasien geflohenen Georgier, die uns von ihrem Leben in Georgien erzählen. Außerdem berichten sie von Kontakten nach Abchasien, einige haben gar keine Kontakte mehr, andere überqueren die Grenze auf geheimen Pfaden. Ich will auch!!! Für eine Hand voll Dollar scheint es möglich, allerdings glaube ich nicht, das mein Eifer von unserem Leitungsteam gebührend honoriert würde, :-D.

Gut Anschnallen
Und mal wieder etwas zur den georgischen Autofahrern. Oder genauer – zu den Taxifahrern. Diese haben die Angewohnheit, sich den Sicherheitsgurt überzustreifen. Das heißt, sie haben ihn die ganze Zeit geschlossen und schlüpfen beim Einsteigen darunter. Klingt lustiger als es aussieht, denn sie setzten sich auf den Gurt, der den Bauch umfassen soll, drauf :-D. Also keine großen akrobatischen Kunststücke. Aber die Idee des Dreipunktegurtes ist damit wohl etwas ausgehebelt, :-D.

Einkaufen
Auch heute folgen mein Magen und ich unserem Rhythmus und so kaufe ich wieder selbst für mein Abendessen ein. Dabei fallen zwei Dinge auf: Meine Russischkenntnisse kehren zurück – dass sie sich vorwiegend um Essen drehen, lässt tief blicken, :-D. Außerdem bemerke ich, dass Brot recht teuer – Gemüse hingegen spottbillig ist. Für je zwei Tomaten und Zwiebeln zahle ich 20 Cent. Dafür gibt es in Deutschland nicht mal die Pestizide, :-D.

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